Interview mit Debora Gutman

Frau Gutman, singen Sie eigentlich beim Malen? Nein.

Aber vielleicht doch unüberhörbar, nur innerlich?
Beim Malen ist Stille und Konzentration in mir und eine Kraft, die mich treibt, ein Bild zu Ende zu entwickeln.

Haben denn Malen und Singen für Sie etwas Gemeinsames?
O ja, sehr viel sogar! Beides hat mit mir zu tun. Beides sind kreative Beschäftigungen.

Und was trennt Malen und Singen?
Erstens ist das Singen in der Regel eine Art Reproduktion, ein Interpretieren, das Malen hingegen ist ein rein schöpferischer Akt. zweitens ist das gesungene Kunstwerk verloren, wenn es verklungen ist, (sofern man es nicht aufzeichnet), das Bild existiert als Dokument und kann angeschaut werden, solange man möchte, oder bis ich es (wieder) zerreiße.

Eines Ihrer Bilder trägt den Titel „Mondscheinsonate“ Was erklären Sie einem Betrachter, der zu Ihnen sagt: „Das Bild gefällt mir, aber den Titel versteh ich nicht?“
Das Bild ist eine Komposition von („Farb“-) Tönen, eine Art Sonate (von sonare = klingen) aus Farbe und Formen.

Sie scheinen nicht gerne über Bilder zu reden?
Sie sprechen Ihre eigene Sprache. Der Betrachter soll sie auf sich wirken lassen und wenn sich dann bei ihm andere Gefühle einstellen als bei mir, so ist das nur recht. Wenn wir Menschen miteinander reden, benutzen wir oft dieselben Worte für unterschiedliche Gefühle und Empfindungen.

In Ihren Arbeiten fallen zwei Richtungen auf: pralle, farbige , abstrahierende Kompositionen mit eingebauten figürlichen und symbolischen Elementen; dagegen stehen sehr sparsame figürliche Werke, die mit wenigen Linien und Farben auskommen. Wohnen da „Zwei Seelen in Ihrer Brust“?
Es ist das alte Gesetz der Polarität. Es ist immer dieselbe Seele, die spricht, aber manchmal schwingt sie so und manchmal anders.

Sie malen Bilder, zerreißen sie und setzen sie dann wieder neu zusammen. Ist das nicht etwas umständlich?
Nein gar nicht. Es ist wie das volle Leben. Man entwirft einen Lebensplan, hat Ziele oder Visionen und verwirft sie dann wieder, bzw. ist sonstwie gezwungen sie aufzugeben. Aber immer bleiben die „Schnipsel“ übrig, die die Persönlichkeit ausmachen und die sich zu neuen Gebilden und Plänen fügen können.

Es scheint Themen zu geben, die sich immer wieder auf Ihre Bilder drängen. Wie würden Sie die beschreiben?
Harmonie, Weiblichkeit, Leben, Liebe und Musik.

Was ist das „Weiblichkeit“?
Vielleicht die ewige Suche nach dem Gleichgewicht. Die Suche nach Harmonie, Ästhetik. Die Hingabe.

Sie bevorzugen kleine und mittlere Formate. Warum diese Beschränkung?
Ich liebe das Detail. Und ich verabscheue den Größenwahn. Um mit Mörike zu sprechen (hierbei klingt die wunderschöne Vertonung von Hugo Wolf in mir: „Auch kleine Ding könne uns entzücken, auch kleine Dinge können teuer sein.“).

Ist Malen ein Weg, Erkenntnisse zu gewinnen?
Es ist ein Weg, Erkenntnisse zu bearbeiten. Es gibt beim Malen Erlebnisse, die auf das Leben übertragbar sind. Die Wiederholung, das Zyklische, die wohltuende Wirkung der Versenkung. Und die über allem stehende Erkenntnis, daß etwas entsteht, wenn man es geschehen läßt.

Wie sind Sie eigentlich zum Malen gekommen?
Ich war vor Jahren einmal so krank, daß ich weder singen noch Klavier spielen konnte. Meine Seele war zum Schweigen verurteilt. Meine Gefühle waren eingesperrt. Ohne die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit künstlerischen Inhalten bin ich nur ein halber Mensch und auf die Dauer nicht lebensfähig.

Können Sie sich vorstellen, einmal auf das Malen zu verzichten?
Zur Zeit nicht. Aber wie wir wissen, ist das alle im Fluß. Man kann sich dem nicht versperren, das Leben läßt sich nicht festhalten und vielleicht kommt morgen etwas anderes, daß mich festhält.

Ein Interview von Hartmut Espe
Berlin, Januar 1994